Neue Projekte

Kooperationen und Förderungen

Bundespräsidialamt und NS-Vergangenheit

Das Bundespräsidialamt hat den Historiker Prof. Dr. Norbert Frei von der Universität Jena beauftragt, das Forschungsprojekt »Das Bundespräsidialamt und der Nationalsozialismus« zu leiten. Im Laufe des auf knapp zwei Jahre angelegten Projekts soll der Umgang des 1949 geschaffenen Bundespräsidialamts und der Bundespräsidenten mit der nationalsozialistischen Vergangenheit untersucht werden. Zum einen soll erforscht werden, ob es im Bundespräsidialamt personelle oder ideelle Kontinuitäten zur Zeit des Nationalsozialismus gegeben hat. Zum anderen soll in Form einer Wirkungsgeschichte untersucht werden, wie die Bundespräsidenten in ihrem öffentlichen und internen Handeln – vorbereitet und unterstützt durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundespräsidialamts – mit dem Thema Nationalsozialismus umgegangen sind, etwa in Reden, bei Staatsbesuchen, Terminen im Inland und Ordensverleihungen. Die Entscheidung für Professor Frei fiel nach einem zweistufigen Auswahlprozess: Ende 2019 hatte das Bundespräsidialamt zunächst ein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt, anschließend wurden die am besten qualifizierten Wissenschaftler aufgefordert, eine detaillierte Bewerbung einzureichen. [PM]

Zeithistoriker Prof. Dr. Norbert Frei von der Universität Jena.
Zeithistoriker Prof. Dr. Norbert Frei von der Universität Jena.
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Wertvolle Daten für alle verfügbar machen

Forschende der Friedrich-Schiller-Universität Jena werden federführend am Aufbau der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur beteiligt sein. Sie haben sich gleich zweimal im Wettbewerb des Bundes und der Länder um die Förderung in der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) durchgesetzt. Gefördert werden sowohl das »NFDI4Chem«-Konsortium, das federführend durch die Jenaer Universität getragen wird, und das »NFDI4Bio­Diversitäts«-Konsortium mit substanzieller Be­teiligung der Universität Jena. Beide Konsortien werden ab Herbst 2020 für zunächst fünf Jahre mit jeweils bis zu 25 Millionen Euro gefördert.

Das »NFDI4Chem«-Konsortium unter der Leitung der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit den Sprechern Prof. Dr. Christoph Steinbeck (Jena) und Dr. Oliver Koepler (Hanno­ver) will die Digitalisierung aller Bereiche des Forschungsprozesses in der Chemie voran­treiben. Das »NFDI4BioDiversitäts«-Vorhaben wird von Prof. Dr. Frank Oliver Glöckner an der Universität Bremen koordiniert und hat zum Ziel, Forschende aus Biodiversität, Ökologie und Umweltwissenschaften um­fassend zu unterstützen und die Datengrundlage für Entscheidungen in Gesellschaft und Politik zu lie­fern. [AB]

Prof. Dr. Christoph Steinbeck ist ein Sprecher des NFDI4Chem-Konsortiums.
Prof. Dr. Christoph Steinbeck ist ein Sprecher des NFDI4Chem-Konsortiums.
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Romantik als markantes globales Phänomen

Im Graduiertenkolleg »Modell Romantik. Variation – Reichweite – Aktuali­tät« wird an der Universität Jena seit 2015 der Einfluss der Romantik auf heutige Formen der Weltdeutung, der Selbstreflexion, der ästhetischen Gestaltung und der Lebensvollzüge er­forscht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Litera­tur-, Sprach-, Musik- und Kunstwissenschaft, aus Geschichte, Theologie, Computerlinguistik und Soziologie untersuchen mit Partnern aus Jena, Deutschland und der ganzen Welt die Romantik als markantes europäisches, aber auch außereuropäisches Phänomen. 2015 war von der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine Förderung in Höhe von 3,8 Millionen Euro bewilligt worden, um in Jena erstmals Romantik als Deutungsmodell, als Dar­stellungs- und Wahrnehmungsmodell sowie als Handlungs­mo­dell zu erforschen. Der neue Förderbescheid der DFG läuft bis September 2024 und hat ein Volumen von insgesamt 4,5 Millionen Euro. Kollegsprecher Prof. Dr. Stefan Matuschek wertet die Fortsetzung der Förderung als Aner­kennung sowohl für den Forschungsansatz, das Fortwirken der historischen Romantik als Modellbildungsprozess zu un­tersuchen, als auch für das 2015 entwickelte, neuartige Be­treuungs- und Qualifizierungskon­zept für die Kollegiatinnen und Kollegiaten. [AB]

Das Graduiertenkolleg zum Thema „Modell Romantik" geht in die zweite Phase.
Das Graduiertenkolleg zum Thema „Modell Romantik" geht in die zweite Phase.
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Schwer behandelbare Depression: Früh erkennen, ob Ketamin hilft

Mehr als vier Millionen Menschen leiden in Deutschland an Depressionen. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen schlägt die Standardtherapie nur unzureichend, bei einem weiteren Drittel gar nicht an. Die Ursache dafür wird in individuellen Unterschieden des Gehirnstoffwechsels vermutet. Gerade bei schweren Fällen ist aber schnelle Hilfe notwendig. Diese könnte das Medikament Ketamin bringen, das seit kurzem als Antidepressivum zugelassen ist. Um den Nutzen und die Risiken des Medikaments individualisiert abwägen zu können, startet ein Forschungsteam der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik des Universitätsklinikums Jena unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Walter jetzt gemeinsam mit Wissenschaftlern in Mannheim, Tübingen, Turku in Finnland und dem französischen Straßburg ein Forschungsprojekt mit dem Ziel, einen Biomarker für das Ansprechen der Therapie mit Ketamin zu etablieren. In einer klinischen Studie mit 100 Patienten, die an einer schwer behandelbaren Depression leiden, und parallel dazu im Tiermodell untersuchen die Wissenschaftler Stoffwechselparameter im Blut und im Gehirn sowie MRT-Bilddaten zur Netzwerkaktivität im Gehirn. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und wird von der EU und dem Bundesforschungsministerium im Rahmen des NEURON-Netzwerkes mit 800.000 Euro gefördert. [vdG]

Prof. Dr. Martin Walter (r.) und Dr. Florian Götting messen die Hirn-Netzwerkaktivität im MRT.
Prof. Dr. Martin Walter (r.) und Dr. Florian Götting messen die Hirn-Netzwerkaktivität im MRT.
Foto: Michael Szabo/UKJ

Arzneimittelsicherheit bei Patienten mit Polymedikation verbessern

Im Verbundprojekt »POLAR_MI« (Polypharmazie, Arzneimittelwechselwirkungen und Risiken) haben sich 21 Partner, darunter das Uniklinikum Jena, zusammengeschlossen, um die Versorgung von Patienten mit Polymedikation zu verbessern und die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen. Insbesondere ältere Patienten leiden oft unter mehreren Erkrankungen und müssen deshalb gleichzeitig eine Vielzahl von Arzneimitteln einnehmen. Dies ist mit Risiken verbunden, da sich die Arzneimittel gegenseitig beeinflussen können und auch die Grundkrankheiten deren Verträglichkeit modulieren. Der gewünschte Effekt einzelner Wirkstoffe kann bis zur Unwirksamkeit abgeschwächt oder unerwünscht verstärkt werden. Ein Ziel des Projekts ist es, zu ermitteln, wie häufig es zu potenziell inadäquater Medikation kommt und in welchen Risikopopulationen diese sich besonders häufen. Zudem wollen die Forschenden die elektronische Dokumentation der Medikation in den einzelnen Kliniken verbessern und vereinheitlichen sowie innovative Algorithmen zur Klassifizierung von Hochrisikopatienten und -arzneimitteln entwickeln. Das Projekt wird von der Universität Leipzig und stellvertretend vom Universitätsklinikum Jena (Prof. Dr. André Scherag) geleitet und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit knapp 5,5 Millionen Euro bis Mai 2022 gefördert. [vdG]

Verbundprojekt der Medizininformatik-Initiative hat die Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei Patienten mit Polymedikation zum Ziel.
Verbundprojekt der Medizininformatik-Initiative hat die Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei Patienten mit Polymedikation zum Ziel.
Foto: UKJ

Der Historiker von morgen

In den Geisteswissenschaften beschränkten sich Initiativen zur Digitalisierung bisher vor allem auf das Erschließen von Quellen für das Internet. Dabei bieten Anwendungen, die auf moderner Informationstechnologie basieren, weitaus mehr Potenzial und könnten sich in den kommenden Jahren zu einem wichtigen Werkzeug für Philosophen, Linguisten und Geschichtswissenschaftler entwickeln. Historiker und Informatiker um Prof. Clemens Beckstein und Dr. Robert Gramsch-Stehfest von der Universität Jena haben nun eine gemeinsame Initiative gestartet, über die sie die Möglichkeiten einer solchen Kooperation ausloten und nach außen tragen wollen. Das Land Thüringen unterstützt das Projekt »Collaborative Open Research Environment for the Humanities« (CORE-H) in den kommenden zwei Jahren mit 200.000 Euro aus seinem Landesprogramm »ProDigital«. Mit dem neuen Projekt soll die Brücke zwischen der Informatik und den geisteswissenschaftlichen Disziplinen weiter ausgebaut und gestärkt werden. Bereits seit einiger Zeit besteht ein interdisziplinäres Netzwerk — das DHnet –, das Kooperationen auf dem Gebiet der Digital Humanities an der Universität Jena fördert und die methodische Entwicklung vorantreibt. [sh]

Prof. Clemens Beckstein (l.), Institut für Informatik und Dr Robert Gramsch-Stehfest, Hist. Institut
Prof. Clemens Beckstein (l.), Institut für Informatik und Dr Robert Gramsch-Stehfest, Hist. Institut
Foto: Anne Günther (Universität Jena)