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Forschung kurz und knapp

So heiß wie im Inneren der Sonne

Neben den klassischen Aggregatzuständen - fest, flüssig und gasförmig - gibt es einen weiteren Zustand: das Plasma. Über 99 Prozent der Materie im Weltall liegt in dieser Form vor - etwa im Inneren von Sternen. Plasmen auf der Erde zu erzeugen, ist dagegen alles andere als einfach. Physiker um Dr. Zhanna Samsonova und Dr. Daniil Kartashov haben nun eine Methode entwickelt, mit der sie für wenige Pikosekunden Plasma im Labor erzeugen können (DOI: 10.1103/PhysRevX.9.021029Externer Link). Die Forschenden vom Institut für Optik und Quantenelektronik nutzen extrem feine Siliziumdrähte, die mit gepulstem Laserlicht erhitzt werden. Der Durchmesser der Drähte ist mit einigen hundert Nanometern kleiner als die Wellenlänge des Lasers. Dadurch lassen sich störende Spiegeleffekte minimieren, bisher ein Haupthindernis bei der Plasmaproduktion. [sh]

Zhanna Samsonova und Dr. Daniil Kartashov bereiten ein Experiment am JETI-Laser vor.
Zhanna Samsonova und Dr. Daniil Kartashov bereiten ein Experiment am JETI-Laser vor.
Foto: Jan-Peter Kasper (Universität Jena)

Europäische Regenwurmvielfalt

An einem Ort der gemäßigten Breiten gibt es meist mehr Regenwürmer als an einem Ort gleicher Größe in den Tropen. Und der Klimawandel könnte das Vorkommen von Regenwürmern und ihre Funktionen für Ökosysteme weltweit verändern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv). Zusammen mit 140 Wissenschaftlern aus aller Welt, darunter Prof. Dr. Ulrich Brose und Prof. Dr. Birgitta König-Ries aus Jena, haben die Forschenden den weltweit größten Regenwurmdatensatz zusammengestellt - mit Informationen von 6928 Standorten aus 57 Ländern (DOI: 10.1126/science.aax4851Externer Link). Regenwürmer machen Nährstoffe verfügbar, helfen klimawirksamen Kohlenstoff zu speichern oder Samen zu verbreiten. Bislang war wenig über ihre weltweite Verbreitung bekannt. [VH]

Ein junger Regenwurm.
Ein junger Regenwurm.
Foto: Andy Murray

Weniger Bedenken mit Helm

Ein Fahrradhelm suggeriert Sicherheit - sogar dann, wenn der Träger gar nicht auf einem Rad sitzt. Das haben Jenaer Psychologinnen und Psychologen um Dr. Barbara Schmidt in Kooperation mit der kanadischen University of Victoria herausgefunden (DOI: 10.1111/psyp.13458Externer Link). Während eines Experiments ließ das Forschungsteam Personen am Computer ein Kartenglücksspiel spielen, bei dem man sich zwischen einer risikoreichen und einer risikoärmeren Variante entscheiden konnte. Die eine Hälfte der Versuchsteilnehmer trug dabei einen Fahrradhelm, die andere Hälfte nicht. Wie die Forscher mittels EEG messen konnten, ist die kognitive Kontrolle mit Helm weniger ausgeprägt: Die Hirnaktivität, die das Abwägen während Entscheidungsprozessen kennzeichnet, erwies sich bei den Helmträgern weitaus geringer als bei den Probanden ohne Helm. [sh]

Studienleiterin Dr. Barbara Schmidt vom Institut für Psychologie der Universität Jena demonstriert die Technik für das Experiment, bei dem die Wirkung von Sicherheits-Accessoires, wie etwa die eines Fahrradhelms, auf das Risikoverhalten untersucht wird. Im Hintergrund assistiert Psychologie-Student Jona Ebker.
Studienleiterin Dr. Barbara Schmidt vom Institut für Psychologie der Universität Jena demonstriert die Technik für das Experiment, bei dem die Wirkung von Sicherheits-Accessoires, wie etwa die eines Fahrradhelms, auf das Risikoverhalten untersucht wird. Im Hintergrund assistiert Psychologie-Student Jona Ebker.
Foto: Jan-Peter Kasper (Universität Jena)

Ziel der Inklusion noch nicht erreicht

Noch immer tun sich das deutsche Bildungssystem und seine Akteure schwer mit dem Thema Inklusion. Erziehungswissenschaftlerinnen der Friedrich-Schiller-Universität und der Humboldt-Universität Berlin haben unter Leitung von Prof. Dr. Bärbel Kracke untersucht, wie die Stadt Jena und ihre Schulen die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf angehen. In einem kürzlich veröffentlichten Sammelband zeigen die Autorinnen, dass Inklusion durchaus nicht von allen Schulen getragen wird, sondern dass es besonders engagierte Einrichtungen gibt, die sich dem Thema sehr intensiv widmen (ISBN 978-3-8309-3991-7). So seien beispielsweise vor allem die Thüringer Gemeinschaftsschulen eine wichtige Anlaufstelle für Schülerinnen und Schüler mit Lernbeeinträchtigungen. Gymnasien hingegen verweigerten sich nach wie vor oft. [sh]

Prof. Dr. Bärbel Kracke ist Professorin für Pädagogische Psychologie. Sie und ihr Team haben mit Berliner Kolleginnen und Kollegen untersucht, wie die Stadt Jena und ihre Schulen die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf angehen.
Prof. Dr. Bärbel Kracke ist Professorin für Pädagogische Psychologie. Sie und ihr Team haben mit Berliner Kolleginnen und Kollegen untersucht, wie die Stadt Jena und ihre Schulen die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf angehen.
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Antibiotika aus dem Meer

Fast drei Viertel aller klinisch relevanten Antibiotika sind Naturstoffe — produziert von Bakterien. Doch die heute verfügbaren Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit, immer mehr Erreger sind gegen sie resistent. Neue Antibiotika werden also dringend gebraucht. Allerdings stehen für die Wirkstoffsuche derzeit weniger als ein Prozent der bekannten Bakterienarten zur Verfügung, die übrigen 99 Prozent gelten als »unkultivierbar«. Dem Team um Prof. Dr. Christian Jogler vom Institut für Mikrobiologie ist es gelungen, mehrere Dutzend bisher wenig beachtete Bakterien aus dem Meer im Labor zu kultivieren, funktionell zu charakterisieren und so einem systematischen Wirkstoff-Screening zugänglich zu machen (DOI: 10.1038/s41564-019-0588-1Externer Link). Erste Analysen deuten auf ein Potenzial zur Produktion neuer Antibiotika hin. [US]

Taucher sammeln Blätter des Neptungrases (Posidonia oceanica) in der Bucht von Calvi auf Korsika. Das Forschungsteam um Prof. Jogler hat bisher wenig beachtete Meeresbakterien kultiviert und so eine Quelle für neue Antibiotika erschlossen.
Taucher sammeln Blätter des Neptungrases (Posidonia oceanica) in der Bucht von Calvi auf Korsika. Das Forschungsteam um Prof. Jogler hat bisher wenig beachtete Meeresbakterien kultiviert und so eine Quelle für neue Antibiotika erschlossen.
Foto: Christian Jogler

Tsunami traf vor 1 000 Jahren den Oman

15 Meter hohe Wellen, die bis zu 100 Tonnen schwere Felsbrocken ins Landesinnere schoben: So ungefähr kann man sich den Tsunami vorstellen, der vor etwa 1 000 Jahren die Küste des heutigen Sultanats Oman traf. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Universitäten Bonn, Jena, Freiburg und der RWTH Aachen (DOI: 10.1016/j.margeo.2019.106068Externer Link). Die Ergebnisse zeigen auch, wie dringend die Region ein gut funktionierendes Frühwarnsystem benötigt. Doch auch dann hätten Küstenbewohner bei einer ähnlichen Katastrophe maximal 30 Minuten Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Dr. Christoph Grützner vom Institut für Geowissenschaften ist Teil des Forschungsteams. Er hat für die Studie die geologischen Schichten in den riesigen Blöcken, die der Tsunami bewegt hat, vermessen. [AB]

Bei der Probennahme im Oman (von links): Christoph Grützner (Universität Jena); Benjamin Koster, Klaus Reicherter und Sascha Schneiderwind (alle Universität Aachen).
Bei der Probennahme im Oman (von links): Christoph Grützner (Universität Jena); Benjamin Koster, Klaus Reicherter und Sascha Schneiderwind (alle Universität Aachen).
Foto: Gösta Hoffmann/Uni Bonn

Algorithmus lernt mit Vogelbildern

Objekte, die sich nur in wenigen Details unterscheiden, erkennen und bestimmen zu können - das ist eine große Herausforderung für Künstliche Intelligenz (KI). Computersysteme mit dieser Fähigkeit unterstützen uns Menschen schon heute in vielen Bereichen. Beispielsweise können sie Biologen die Arbeit erleichtern, indem sie Tier- oder Pflanzenarten automatisch identifizieren. Jenaer Informatiker um Prof. Dr. Joachim Denzler haben jetzt einen Algorithmus zur sogenannten fein-granularen Objekterkennung entwickelt. Als Trainingsplattform wählten sie dafür ebenfalls ein Anwendungsgebiet aus der Natur: einen internationalen Datensatz mit 200 nordamerikanischen Vogelarten.
Mit ihrer Methode erreichen die Jenaer Experten eine Erkennungsrate von rund 90 Prozent. Jeder Interessierte kann den Algorithmus nutzen: https://birds.inf-cv.uni-jena.deExterner Link. [sh]

Eine Amsel auf dem Display eines Tablet-Computers.
Eine Amsel auf dem Display eines Tablet-Computers.
Foto: Jan-Peter Kasper (Universität Jena)

Das Handy als Ernährungsberater

Der Kompetenzcluster für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit (nutriCARD) der Universitäten Halle, Jena und Leipzig hat unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Lorkowski eine Smartphone-App entwickelt, die Nährwerte von verarbeiteten Lebensmitteln bewertet. Die nutriCARD-App basiert auf der Nährwert-Ampel »Nutri-Score« und liefert Daten zu Inhaltsstoffen, Nährwerten und bedenklichen Zutaten von Lebensmitteln wie Keksen, Fertiggerichten oder Limonaden. Die Bewertung erfolgt anhand einer Datenbank der in Deutschland verfügbaren Lebensmittel, in der derzeit rund 300.000 Produkte und 33.000 Zutaten verzeichnet sind. Die App ist unter dem Namen »nutriCARD — gesünder essen« kostenlos im Apple App-Store erhältlich. Eine Android-Version ist in Vorbereitung und soll zeitnah erscheinen. Weitere Informationen unter: http://nutricard.baggid.comExterner Link. [US]

Die nutriCARD-App liefert Daten zu Inhaltsstoffen, Nährwerten und bedenklichen Zutaten von Lebensmitteln wie Fertiggerichten oder Limonaden.
Die nutriCARD-App liefert Daten zu Inhaltsstoffen, Nährwerten und bedenklichen Zutaten von Lebensmitteln wie Fertiggerichten oder Limonaden.
Foto: Jan-Peter Kasper (Universität Jena)